Wir leben Mehrsprachigkeit

Zahlreiche internationale Studien zu mehrsprachigem Lernen belegen, dass die kindliche Erstsprache das Verstehen von Naturwissenschaft fördert. Die Kinder greifen dabei ganz intuitiv auf ihre Erstsprache zurück. In den deutschsprachigen, sprachsensiblen Ansätzen, insbesondere in der Elementarpädagogik, wird dies zu wenig berücksichtigt. Mit unserem sprachsensiblen MINT-Ansatz bringen wir diese Erkenntnisse bereits seit 2016 erfolgreich in unseren Kindergärten ein.

Dr.in Karin Steiner, fachliche Leitung der INTERREG Projekte bei den Wiener Kinderfreunden

Unsere 150 Kindergartenleitungen waren im Laufe dieses Jahres eingeladen, sich in neue sprachensensible Ansätze der Mehr- und Quersprachigkeit fortbilden zu lassen. Neueste sprachwissenschaftliche Erkenntnisse belegen, wie sinnvoll dies beispielsweise bei der MINT-Bildung ist. (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik)

Am Anfang steht das Staunen. Nanu, die Rosinen, die gerade von der Elementarpädaqgogin ins Wasserglas gegeben wurden, beginnen zu schweben. Die Kinder sehen dies und sind begeistert. Eine kleine Hand zeigt auf das Glas: „rodzynki pływają!“ Ein anderes Kind ruft: „the raisin floats!“ Verstehen die Kinder einander? Vielleicht nicht den Worten nach, aber dennoch innerhalb ihrer geteilten Beobachtung. Wichtiger noch, sie haben jetzt ein natürliches Bedürfnis sich untereinander auszutauschen.

Sie möchten über ihre „naturwissenschaftliche Beobachtung“ reden und sie möglichst genau mitteilen. Dies sollen sie zunächst tun, wie „ihnen der Schnabel gewachsen“ ist. Der Sprachanlass eines MINT-Experiments bringt sie zum Erklären. Dabei erweitert sich ihr Bewusstsein und ihr Bild von der Welt wird reicher. Würde zunächst nur die Normsprache Deutsch für den Ausdruck des kindlichen Staunens verlangt werden, dann wären die Kinder gehemmt und einige schlicht ausgeschlossen.  

Warum ist das so?

Damit nicht genug. Die Kinder haben eine innere Lust, die Welt um sie herum zu hinterfragen. Wer versuchen will, zu erklären warum die Rosine schwebt, muss ganz genau hinschauen und Worte für die eigenen Beobachtungen finden: Die Oberfläche der Rosine ist rau, zerklüftet, chropowaty und wrinkled. Deshalb kleben viele kleine Luftblasen an der Rosine fest, die sie zum Schweben bringen.

Das Wissen über den Umgang mit Mehrsprachigkeit in den Kindergärten und die Forschung dazu ist den Kinderfreunden ein besonderes Anliegen. Aus diesem Grund arbeiten sie im Rahmen ihrer INTERREG Projekte wie dem BIG_ling  (Bildungskooperationen in der Grenzregion_lingual) intensiv an dem Transfer der neuesten Theorie-Erkenntnisse in die Praxis unter anderem durch unsere große Qualifizierungsoffensive.

Die Fortbildung unserer Leiter*innen war hier nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer Elementarpädagogik die Mehrsprachigkeit umfassend fördert.

Wie Eltern ihre Kinder in deren Mehrsprachigkeit unterstützen können, erfahren sie in unserem Elternratgeber Mehrsprachigkeit.

Karin Steiner, Frank Jödicke